Testmanagement im ERP-Projekt

Marco Niecke, Andreas Müller

So halten Sie in Ihrem ERP-Projekt die Qualität hoch und räumen Stolpersteine frühzeitig aus dem Weg

Was bedeutet Testmanagement und warum ist es bei ERP-Projekten so wichtig?

Der Begriff „Testmanagement“ bezieht sich in der Regel auf IT-Projekte wie z. B. Softwareentwicklung oder Softwareimplementierung. Es bezeichnet den Prozess der Planung, Steuerung, Durchführung und Überwachung aller Tests, die zum Gelingen des Projektes erforderlich sind. Dabei trägt das Testmanagement erheblich dazu bei, die Qualität, Zuverlässigkeit, Benutzerfreundlichkeit und Akzeptanz eines IT-Projektes von Anfang an sicherzustellen.

Vor allem bei ERP-Projekten, die zu den komplexesten und vielschichtigsten IT-Projekten überhaut zählen, spielt das Testmanagement deshalb eine immens wichtige Rolle.

Warum es sich lohnt, ganz am Anfang eines ERP-Projektes das Testmanagement zu etablieren, wie es im Projekt umgesetzt wird und welchen Mehrwert Ihnen gutes Testmanagement bietet, lesen Sie hier in unserem Blogbeitrag.

 

Die Testphase im klassischen ERP-Projekt reicht nicht immer aus

Die Kernaufgabe bei der Einführung eines ERP-Systems ist es, sämtliche softwarespezifischen Anforderungen, die ein Kunde hat, im ERP-System abzubilden. Dabei gehen Kunde und Berater in der Regel wie folgt vor:

  1. Um die Anforderungen zu identifizieren, findet zu Beginn der ERP-Einführung eine Analysephase statt. Der Berater gleicht hier die Anforderungen und Wünsche des Kunden mit den Funktionen der ERP-Lösung ab.
  2. Er entscheidet, ob der Standard der ERP-Lösung genügt, oder ob eine Erweiterung des Systems notwendig ist. Es folgt die Designphase und die Funktionen werden sukzessive im ERP-System bereitgestellt.
  3. Wurden alle Anforderungen erfüllt, wird getestet. Es ist ein iteratives Vorgehen, bei dem verbliebene Fehler gefunden und korrigiert werden. Nach der Testphase erfolgt der Go-Live und die Mitarbeiter arbeiten produktiv mit dem neuen System.

Soweit die Theorie. Die Praxis zeigt aber, dass es in dieser Prozesskette immer wieder zu Störungen kommt. Die Summe der größeren und kleineren Fehler, von denen viele erst in der Testphase auftauchen, führen mitunter dazu, dass ein fehlerfreier Go-Live nicht möglich ist und der Termin verschoben werden muss.

Diese Störungen sehen unter anderem wie folgt aus:

  • Der Kunde hat während der Analyse nicht alle Informationen mitgeteilt
  • Informationen werden nicht korrekt kommuniziert und vom Berater anders verstanden (siehe hierzu auch den Blogbeitrag gute Kommunikation im ERP-Projekt)
  • Im Design wurden nicht alle Anforderungen berücksichtigt
  • Entwicklungen und Anpassungen wurde nicht korrekt durchgeführt

Um sicherzustellen, dass zum Ende der Testphase alles funktioniert und dem GoLive nichts im Wege steht, reicht es folglich nicht aus, alle oder einen Großteil der Tests (User-Acceptance-Tests) in die Testphase und damit kurz vor den GoLive zu legen. Ein strukturiertes Testmanagement sollte Ihr ERP-Projekt von Anfang an begleiten.

Blog abonnieren

Sie interessieren sich für Microsoft Dynamics 365 und möchten bei diesen Themen immer auf dem Laufenden bleiben? Dann abonnieren Sie doch einfach unseren Blog und erfahren Sie alles Neue und Wissenswerte zuerst. Jetzt gleich mit nur wenigen Klicks - oder am Ende Ihrer Lektüre. 

Inway Blog abonieren

Wer im ERP-Projekt ist verantwortlich für ein strukturiertes Testmanagement?

Lange Zeit wurde das Testmanagement im ERP-Projekt vernachlässigt und als Nebentätigkeit wahrgenommen. Es wurde zur Aufgabe des Projektleiters, der dafür meist wenig Zeit hatte. Viele Nachtschichten und „16-Stunden Tage“ kurz vor einem GoLive, bei dem zentrale Fehler sprichwörtlich in allerletzter Sekunde gelöst wurden, waren oftmals die Folgen. Jeder, der im ERP-Umfeld arbeitet, hat von GoLive Geschichten dieser Art schon gehört. Früher gehörte dies einfach dazu.

Auf Grund der vielfältigen Aufgaben, empfiehlt es sich also, bereits zu Beginn eines ERP-Projekts, die dezidierte Rolle eines „Testmanagers“ festzulegen. Dieser Testmanager kümmert sich ausschließlich um die Planung und Abwicklung der Tests.

 

Die Hauptaufgaben des Testmanagers sind:

  • Vorstellung der Teststrategie
  • Schulung der Key-User hinsichtlich Vorgehensweise beim Testen
  • Aufbau/Überwachung der Testpläne
  • Abgabe einer Empfehlung für den GoLive Termin

Noch besser als ein Testmanager, der auf der Seite des ERP-Anbieters die anstehenden Tätigkeiten koordiniert, sind zwei Testmanager – ein zweiter auf der Seite des Kunden, da dieser in der Regel den deutlich besseren und schnelleren Zugang zu den Key-Usern im eigenen Unternehmen hat.

Der Testmanager an sich hat keinerlei Entscheidungsbefugnisse, was beispielsweise den Funktionsumfang oder den Zeitplan des ERP-Projekts betrifft. Er ist in engem Austausch mit dem Projektmanager und dem Solution Architekt und orientiert sich mit seiner Test-Strategie an deren Projektplan.


Wie wird das Testmanagement im ERP-Projekt richtig verankert?

In der Regel sind es drei Schritte, die Testmanagement zum festen Bestandteil Ihrer ERP-Einführung machen und nachhaltig im Projekt verankern.

 

Schritt 1: Entscheidungsphase

Die Entscheidung darüber, ob und wie im Projekt getestet werden soll, entscheidet letztendlich der Kunde. Schließlich muss er den Mehraufwand (ca. 20% des Gesamtbudgets) erst einmal bezahlen. Den Mehrwert, sowie den ROI, den der Kunde bekommt, zeigen wir Ihnen im nächsten Absatz.

Zusätzlich zur Person, die gefunden und bezahlt werden muss, ist eine dezidierte Testsoftware mit einem gut gefüllten Testkatalog und den dazugehörigen Testfällen (Testcases) erforderlich. In der Regel stellt das Beratungsunternehmen das geeignete Tool zur Verfügung. Ist der Kunde einverstanden, Testmanagement ins ERP-Projekt zu integrieren, bekommt er Einblicke in die Testsoftware und in die Teststrategie und der Testmanager wird ins ERP-Team integriert.

Testcases

Testcases sind ausführliche und strukturiert in einer speziellen Testsoftware dokumentierte Schritt-für-Schritt-Anleitungen für unterschiedlichste Szenarien und Aufgaben im ERP-System. 

Beispiele von Testcases für Stammdaten

  • Anlegen eines Produktes
  • Anlege von Kundenstammsätzen
  • Anlage von Lieferantenstammsätzen

Beispiele von Testcases für Prozesse

  • Bearbeitung und Erfassung von Aufträgen
  • Bearbeitung und Erfassung von Bestellungen
  • Lagerabgang

Schritt 2: Vorbereitungsphase

Wird das Testmanagement gewünscht, beginnt die Vorbereitungsphase. Folgende Punkte sind dabei wichtig:

  • Auswahl eines Testmanagers / Ansprechpartners auf Kundenseite, der mit dem Testmanager des Beratungshauses das Testmanagement betreut.
  • Identifikation der Key-User der einzelnen Module, die die Testfälle (Testcases) und den Testkatalog aufbauen.
  • Zuweisung der Lizenzen in der Testsoftware.
  • Schulung der Key-User und des vom Kunden gestellten Testmanagers in der Testsoftware.
  • Initialer Aufbau des Testkatalogs mit Beispielen.

Testsoftware

Eine Testsoftware ist eine Organisations- und Struktursoftware in der Testszenarien für IT-Projekte strukturiert dokumentiert werden. Die Software unterstützten die Planung, Steuerung, Ausführung und Überwachung aller Tests. Wiederholungstests (Regression Tests) zum Beispiel nach einem Systemupdate, lassen sich mit der richtigen Testsoftware in der Regel völlig automatisiert ausführen – für alle erstellten Szenarien (Testcases). Dies spart viel Zeit und ist ein entscheidender Grund, warum Prozesse im Optimalfall dezidiert in einer Testsoftware gepflegt werden sollten und nicht in Word, Excel, OneNote und Co. Dieses Invest zahlt sich mehrfach aus. Für das Testmanagement bei ERP-Projekten nutzen wir von Inway Systems die Test Suite in DevOps, Azure Test Plans.

Schritt 3: Ausführungsphase

Wenn alle Voraussetzungen für das Testen geschaffen wurden, beginnt die eigentliche Arbeit. Doch es wird nicht nur getestet und abgehakt, wenns funktioniert, es wird parallel dazu sehr ausführlich und strukturiert in der Testsoftware dokumentiert. Die zentralen Aufgaben sind:

  • Erstellung der Testfälle (Testcases) durch die Key-User in der entsprechenden Software.
  • Monitoring über den Fertigstellunggrad der Testcases.
  • Aufbau der Testpläne für Modultests und für die funktionalen Tests (Integrationstest, User Acceptance Test).

Wie hoch ist der Aufwand für strukturiertes Testmanagement und was ist der ROI?

 

Neben dem Aufbau der Testpläne, entsteht der meiste Aufwand bei der Erstellung der einzelnen Testcases, die für jeden Prozess durchgeführt und dokumentiert werden. Jeder Schritt und jeder Klick, welcher im Prozess getätigt wird, muss hier festgehalten werden. 30 Schritte und mehr sind hier keine Seltenheit.

Nicht zuletzt wird daher das Testmanagement als kleines Projekt im großen Projekt bezeichnet. So besagt eine Faustformel, dass ein gut organisiertes Testmanagement ca. 20% des Gesamtbudgets in Anspruch nimmt. Darunter fallen alle Aufwände, welche sowohl auf Kundenseite als auch auf Seite des Beratungshauses entstehen.

 

20% Mehrkosten also. Klingt nach enorm viel. Lohnt sich Testmanagement damit unterm Strich? Wir meinen ja, denn der ROI bietet einen Mehrwert auf vielen Ebenen

  • Wird von Anfang an kontinuierlich und zuverlässig getestet, werden Stolpersteine frühzeitig erkannt und aus dem Weg geräumt. Das ERP-Projekt an sich geht schneller. Der Echtstart erfolgt reibungsloser. Go-Live Termine, die das Testmanagement freigibt oder empfiehlt werden eigentlich immer eingehalten.
  • Nicht zu unterschätzen sind auch die Synergien, vor allem beim Training und der Schulung der Key-User. Diese bauen im Rahmen Ihrer Tests weit mehr Wissen auf, als dies in ERP-Projekten ohne Testmanagement üblich wäre. Wissen, das dauerhaft im Unternehmen vorhanden ist und hilft viele künftige Supportanfragen inhouse zu lösen.
  • Im Rahmen eines strukturierten Testmanagements werden Prozesse ausführlich, vollständig und vor allem lückenlos, transparent und nachvollziehbar dokumentiert. Diese Dokumentationen sind ein Mehrwert an sich, denn für anstehende Zertifizierungen (z. B. ISO-Zertifizierungen) sind diese bereits ein eine wichtige Grundlage.
  • Gleichzeitig ist das Testmanagement generell eine sehr gute Investition in die Zukunft, da die so genannten Wiederholungstests (Regression Tests) danach automatisiert ausgeführt werden können und kaum Zeit beanspruchen. Allein die Zeit, die man sich an dieser Stelle spart, hat die 20% Mehrkosten schnell amortisiert. Was genau es mit den Regression Tests auf sich hat, erzählen wir im nächsten Punkt.

Automatisierung von Regression Tests (Wiederholungs-Tests) dank strukturiertem Testmanagement

ERP-System eingeführt, alles funktioniert, für immer, fertig? Wie Sie aus eigener Erfahrung wissen, enden ERP-Projekte nicht auf diese Weise. Zwar haben Sie mit dem Go-Live den entscheidenden Meilenstein gemeistert, dennoch gilt es auch nach dem Projekt das ERP-System zu pflegen und an die Veränderungen anzupassen. Denn Patches, Hersteller-Updates oder Service-Releases von Microsoft – oder angebundenen Lösungen und Addons von Drittanbietern – finden äußerst regelmäßig statt. Oft unbemerkt, in manchen Fällen aber auch mit Nebenwirkungen für Workflows und eingerichtete Prozesse. Es lohnt sich jedenfalls, vor jedem mittleren und größeren Update alle Testcases noch einmal in einem Wiederholungstest (Regression Test) durchzuspielen.

Nochmal diesen ganzen Aufwand betreiben? Nein, denn haben Sie Ihre Testcases in Ihrer Testsoftware sauber gepflegt, geht dieser Test vollkommen automatisch. Wenige Klicks genügen und das komplette Drehbuch aller Testcases wird abgespielt und überprüft. Natürlich sollten Sie diese Tests nicht auf der Produktivumgebung, sondern ein einem eigens für solche Fällt vorhandenem Testsystem ausführen. Auch das Testsystem wird im Rahmen des Testmanagements eingerichtet. Was ein ERP-Testsystem ist und warum Sie es auf jeden Fall nutzen sollten, lesen Sie auch auf unserem Blog. 

Wir von Inway Systems nutzen die Regression Suite RSat von Microsoft. Das Tool ist mit DevOps gekoppelt und optimal für Wiederholungstest in Microsoft Dynamics 365 Finance & Supply Chain Management sowie Microsoft Dynamics 365 Business Central ausgelegt.

Sie haben Neues erfahren?

Wir konnten Ihnen mit diesen Informationen weiterhelfen? Oder Sie fanden den Beitrag interessant? Dann abonnieren Sie doch einfach unseren Blog und erfahren Sie alles Neue und Wissenswerte rund um Dynamics 365 zuerst. 

INWAY BLOG ABONIEREN

Fazit: Ein Plädoyer fürs Testmanagement

Wie gezeigt, ist der Aufwand, ein Testmanagement im Rahmen eines ERP-Projektes einzuführen erst einmal recht hoch. Es werden zusätzliche Ressourcen und Rollen benötigt, um Aufgaben zu erfüllen, die man in einem ERP-Projekt ohne Testmanagement einfach nach hinten geschoben hätte. Doch genau hier liegt der Vorteil und der Grund, warum man sich für ein Testmanagement entscheiden sollte – es ist eine Investition in die Zukunft, die sich nicht nur in der Testphase bezahlt macht, sondern jedes Jahr, bzw. jedes Software-Update, nach dem eigentlichen GoLive erneut.

 

Hat man fürs Testmanagement einen Partner an seiner Seite, der bereits in anderen Projekten Testcases konzipiert und im Archiv seiner Testsoftware hat, kann auch der Aufwand, der hier ganz am Anfang steht, deutlich reduziert werden. Vermutlich lassen sich die oftmals 30 und mehr Punkte starken Schritt-für-Schritt-Anleitungen nie oder nur in den allerseltensten Fällen 1 zu 1 von Kunde A auf Kunde B übertragen – es sind jedoch viele gute Grundlagen vorhanden, bei denen nur noch wenige Felder ergänzt bzw. Reihenfolgen getauscht oder einzelne Schritte leicht angepasst werden müssen. Dies führt bei den Key-Usern, die das Testmanagement umsetzen, zu einem leichten Einstieg und zu einer hohen Zeitersparnis. Bei der Anlage eines Stammdatensatzes wie beispielweise eines Lieferanten (Kreditor), müssen nur noch kundenspezifische Felder ergänzt werden.

 

Sie wollen mehr über Testmanagement im ERP-Projekt wissen. Nutzen Sie einfach unser Kontaktformular und treten Sie gerne mit uns in Verbindung.

60 Sekunden Zusammenfassung

Das Testmanagement ist ein zentraler Bestandteil eines erfolgreichen ERP-Projekts, um die Qualität und den reibungslosen Ablauf sicherzustellen. Es umfasst die Planung, Durchführung und Überwachung von Tests während des gesamten Projektverlaufs. Ein strukturiertes Testmanagement verhindert Fehler, die oft erst spät im Projekt erkannt werden, und vermeidet Verzögerungen beim Go-Live. Ein Testmanager auf Seiten des Kunden sowie des Anbieters sorgt für die Koordination. Die Investition in Testmanagement, etwa 20% des Gesamtbudgets, lohnt sich langfristig durch Effizienzsteigerung und automatisierte Tests bei zukünftigen Updates.

Linie
Sie haben Fragen?
Kontakt
Kontakt

Inway Blog abonnieren

Blog abonnieren

Downloads

  • Bank Automation Suite Vs. Dynamics 365 ERP Download
Download